Der elfte Dezember

Dieses Thema im Forum "Rommerskirchener (Portal) Adventskalender 2014" wurde erstellt von Tom69, 11 Dezember 2014.

  1. Der Adventsnachmittag bei ....jpg

    Wackelig hielt sich die alte Frau an ihrem hölzernen Krückstock fest,
    während sie mit unsicheren Schritten zur Haustür ging und sie freudig öffnete.

    „Hallo, da seit ihr ja, ich habe schon auf euch gewartet!“
    Fünf Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren sprangen durch die Türe,
    gefolgt von einer jungen Frau, die die ältere Dame herzlichst begrüßte.
    „Guten Tag, Frau Schuhmann. Ist ja doch, schön, dass es heute noch mit uns geklappt hat!“
    „Ja, mir ging es heute morgen nicht so gut, Frau Siedler.
    Ich bin fast achtzig Jahre alt und da hat man so seine Wehwehchen.
    Aber ich muß sagen, ihren Besuch konnte ich doch nicht einfach so absagen.
    Ihre Idee mich mit ihren Kindergartenkindern zu besuchen,
    finde ich sehr schön und wollte ich mir nicht entgehen lassen !“
    Die alte Dame lächelte und drehte sich zu den Kindern um.

    „Na, ihr, dann zieht mal schnell eure Jacken und Schuhe aus
    und kommt mit mir in die gute Stube, wie heißt ihr denn alle?!“
    Die Kinder schauten ihre Kindergärtnerin an und warteten.
    Als Frau Siedler aufmunternd nickte, folgten die Kinder dem Hinweis,
    riefen ihre Namen durcheinander, setzten sich auf den Fußboden, lösten Senkeln
    zogen sich die Mützen vom Kopf. Bunte Schals, Handschuhe, Jacken und Stiefel
    flogen binnen weniger Sekunde in dem kleinen engen Flur durcheinander
    und Frau Schuhmann ließ sich von dem Kinderlachen anstecken.
    „Ist ein bisschen eng hier, ich habe ja nur noch eine kleine Wohnung,
    seit dem mein Mann und Ruth nicht mehr da sind.“

    Die Kinder rempelten und kletterten gleichzeitig von dem Flur in das Wohnzimmer hinein,
    um all das zu bestaunen, was dort vor zu finden war.
    Bewundernd blieben sie in der kleinen Stube stehen und redeten aufgeregt durcheinander.
    „Die Oma hat ja ein Bett in der Stube stehen!“
    „Warum hast du denn so eine winziges Zimmer?“
    „Ich muß mal auf`s Klo!“
    „Warum haben die Bilder an der Wand keine Farbe?“
    „Darf ich mit der Puppe spielen?“
    Die Erzieherin sortierte die fünf kleinen Kinder
    und stellte sie Frau Schuhmann namentlich noch einmal vor,
    bevor sie den Ersten in das Badezimmer schickte.
    „Fabian, das Bad ist im Flur, gleich die erste Tür rechts,
    Anna und Selim, ihr setzt euch mit auf das Sofa, Max und Nikita, ihr bitte auf die Stühle.“
    Frau Siedler wies die Kinder an ihre Plätze und wendete sich Frau Schuhmann zu.
    „Schaut mal, Frau Schuhmann hat so schön den Tisch gedeckt.
    Nun hockt euch auf eure Plätze und seit schön vorsichtig.“
    Auf dem Tisch standen Tassen mit dampfenden Kakao.
    „Kekse haben wir dir wie versprochen mitgebracht!“, wußte Selim zu berichten.
    Fabian kam aus dem Bad zurück und trug die Dose mit den Keksen hinein.
    „Stell sie bitte hier zu uns auf den Tisch, Fabian!
    Frau Schuhmann wird sicher etwas zu euren Fragen sagen wollen.“
    „Ja, liebe Kinder, also, ich bin die Gertrud und den Kakao habe ich extra für euch gemacht.
    Ich weiß, was Kindern schmeckt!“ Sie lachte herzlich.
    „Eure Kekse werden sicher gut dazu schmecken!“
    Frau Siedler nickte der älteren Dame freundlich zu und bot ihr die selbstgebackenen Plätzchen an.
    Doch Frau Schuhmann lehnte sich abwinkend auf dem Sofa zurück und begann von sich zu erzählen.

    „Ich freue mich sehr, dass ihr mich heute von eurem Kindergarten aus besucht.
    Ich bekomme nicht mehr viel Besuch, ich bin schon so alt, wißt ihr!“
    „Ich finde es lustig hier, es sieht aus, als wenn du in einem Puppenhaus wohnst!“, meldete sich Nikita zu Wort.
    „ Ja.. , ihr besucht mich hier in diesem Seniorenheim,
    es ist alles recht klein hier, ihr seht, ich hab sogar mein Bett hier im Wohnzimmer stehen.
    Aber hier ist mein kleines Reich, alles voller lieber Erinnerungen!“
    „Ich finde es gemütlich bei dir, Frau Schuhmann!“, Max strahlte die alte Dame an
    und stopfte sich einen weiteren Keks in den Mund.
    „Ja, ich finde es hier auch gemütlich, besonders bei so lieben Besuch von euch allen hier!“
    „Viele Kinder haben keine Großeltern mehr und dadurch kaum Kontakt zu älteren Leuten!“,
    erklärte die Erzieherin.
    „Ich finde es schön, dass wir sie hier besuchen und kennenlernen dürfen!“
    „Kann ich noch mehr Kakao haben?“, unterbrach Fabian die Frauen
    und hielt seine leere Tasse vor sich her.
    „Ja, sicher, bitte schön und guten Appetit!“, Frau Schuhmann setzte wackelig
    die Kakaokanne auf den Tisch zurück, strahlte die Kinder an und setzte ihre Erzählung fort.
    „ Ich habe hier nicht immer gelebt.
    Ich hatte ein wunderschönes Haus mit einem roten Dach und einem wundervollen Garten ringsherum.
    Im Frühling blühten die japanischen Kirschbäume und der Flieder
    und im Sommer wuchsen die Gänseblümchen mit den Sonnenblumen um die Wette.
    Meine Tochter spielte dort auf der Wiese stundenlang mit ihrer Puppe.“
    „ Ist das die Puppe, die dort auf der Sofa-Lehne sitzt?“, fragte Anna.
    „Ja, sie ist aus Porzellan, eine besondere Puppe, ebenso besonders, wie meine Tochter Ruth!“
    „Warum hast du denn das Haus und den Garten nicht mehr, Frau Schuhmann?“, fragte Max.

    Frau Schuhmann antwortete nach einigen Momenten des Besinnung.
    „Mein Mann wurde krank und ich hatte keine Zeit mehr für den schönen Garten.“
    Sie blickte sich nachdenklich in der kleinen Wohnstube um,
    setzte die Puppe auf ihren Schoß und sprach zögernd weiter,
    „ Im Herbst fielen die Blätter und ich hatte immer jede Menge Arbeit, all die Blätter aufzuheben.
    Mein Mann saß längst im Rollstuhl und Ruth war mir längst keine Hilfe mehr.
    Wißt ihr, sie spielte früher zu gerne im Laub und zerstob es mehr auseinander,
    als dass sie es mit mir zusammen gerecht hätte.“
    Ein Lächeln huschte über das Gesicht von Frau Schuhmann.
    „Kann ich aufstehen? Ich will keinen Kakao mehr!“, quengelte Selim und rutschte vom Stuhl.
    „Ja, sicher, kannst du aufstehen, schau dir ruhig alles an!“, antwortete Frau Schuhmann.
    „ Ruth konnte auch nicht lange still sitzen, ich kenne das Rumgezappel noch gut von meiner Tochter!“
    Die Erzieherin lächelte und half Selim vom Stuhl.
    „Warum haben denn all deinen Bilder keine Farbe mehr?“, wiederholte Fabian seine Frage
    und wies auf die Photographien hin, die verblasst an den Wänden hingen.
    Frau Schuhmann verfolgte Fabian`s Fingerzeig und erklärte,
    „Die Bilder sind schon recht alt, schau mal hier, dass ist ein Bild von Ruth auf einem eingefrorenen See.
    Sie wollte immer Eiskunstprinzessin werden. Und hier ist ein Bild von unserem Garten,
    hier sitzt sie unter der alten Trauerweide und spielt Puppenmutter.“
    „Wie heißt denn die Puppe von Ruth?“, wollte Nikita wissen.
    „Ihre Puppe heißt Madeleine! “
    Selim stolperte mit einer Spieluhr in der Hand, zurück an den Tisch.
    „Kannst du die mal anmachen, Frau Schuhmann?“
    Frau Schuhmann griff mit zitternden Fingern nach der Spieluhr und zog sie vorsichtig auf.
    Anmutig begann die kleine Primaballerina auf ihrem Podest zu lieblichen Klängen der Spieluhr zu tanzen.
    „Ruth liebte diese Tänzerin sehr. Die Spieluhr erinnert mich heute noch besonders an mein kleines Mädchen!“© Silke Klaassen-Boehlke
     
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  2. - Teil 2 folgt -
     
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