Ist die Gesellschaft "Schuld"?

Dieses Thema im Forum "ADS Diskussionsforum" wurde erstellt von Nightwing, 1 Februar 2013.

  1. Ich führe das Thema mal an dieser Stelle weiter. Andralotta schrieb:

    Diese Frage wird niemand abschließend beantworten können. Fakt ist, dass es immer und immer wieder völlig schwachsinnige und zum Teil bewusst falsche Berichte - selbst von seriösester Seite - zum Thema ADS gibt und damit der Gesellschaft auch immer wieder ein falsches oder verzerrtes Bild geliefert wird. Ich glaube, die Gesellschaft geht nichts falsch an, sie hat einen "falschen" Blick - nimmt nur eingeschränkt wahr.
    Ich habe heute einen Artikel in der "Zeit Online" zu dem Thema gelesen ("Kranke Kinder, oder kranke Gesellschaft"). Der Artikel selbst ist gar nicht mal schlecht. Recht objekitv, etwas kritisch - aber leider viel zu kurz, um ein differenziertes Bild zu liefern. Wenn man sich dann aber die Kommentare anschaut, könnte man ... platzen, schreien oder einfach nur [​IMG] ... da tobt sich das gesammelte Unwissen ungeniert aus. Ein klitzekleiner Auszug?

    "Früher hat man Jungs kastriert, damit sie eine schöne Singstimme behielten, heute gibt man ihnen Ritalin, damit sie sich genauso verhalten wie das ideale Mädchen, von dem Frau Lehrerin träumt."

    Da fällt einem nichts mehr ein, oder? Und in dem Stil geht das da weiter. Und genau DAS ist das eigentliche Problem. Man (die Gesellschaft) diskutiert über Dinge, die eigentlich nicht diskutiert werden müssen, mischt sich ungefragt ein, ohne Ahnung zu haben und trägt so in fast schon perfider Weise dazu bei, dass die Inakzeptanz für manche Sachen (nicht nur für ADS) immer größer statt kleiner wird.

    Nein. Ist es nicht. Scheint nur so. Die Diagnosen sind einfach besser geworden – Eltern und Lehrer sind sensibler. Man erkennt es jetzt schlichtweg früher und daher scheinen die Fälle zuzunehmen. Solche Angaben basieren auch gerne auf der Menge der verschriebenen Medikamente – dabei lässt man aber auch gerne außer Acht, dass mittlerweile viele Erwachsene medikamentös behandelt werden.
    Es mag durchaus Ärzte geben, die ohne eine entsprechende differenzierte Diagnose ADS diagnostizieren oder Eltern, die zum Doc rennen und behaupten „Mein Kind hat ADS“ und der Doc dann sagt „Na dann…“ – aber die sind selten geworden.
    Wenn man permanent groß davon berichten würde, dass irgendwo in Deutschland eine Eisenbahnschiene gebrochen ist, würde innerhalb kürzester Zeit jeder denken „Oh mein Gott, das komplette Schienennetz in Deutschland geht kaputt!“ Der nächste Schritt wäre dann die Aussage „Bahnfahren ist absolut lebensgefährlich!“
    Auch wenn ich Statistiken nicht besonders mag: etwa 2-4% der Bevölkerung (in Deutschland) haben ADS – aber 45% einen zu hohen Blutdruck… DARÜBER würde ich mir mal Sorgen machen ;-)

    Der Satz gefällt mir irgendwie nicht… das klingt schon so, als ob alle Menschen mit ADS unter der bösen Gesellschaft leiden und mit Gewalt zwangsintegriert werden sollen. Keiner will mit unlauteren Mitteln ADSler zu gut funktionierenden Robotern der Gesellschaft machen – im Gegenteil: die Gesellschaft behauptet ja eher noch, dass des sowas wie ADS gar nicht gibt… und das schafft Druck!
    Eine therapeutische und ggf. medizinische Behandlung ist viel wichtiger (und daher auch notwendig), um dem betroffenen Menschen selber zu helfen. ADSler werden nicht durch ADS krank, auch nicht durch die Gesellschaft, sondern durch viele viele andere Faktoren, die durch ADS beeinflusst werden – dazu an anderer Stelle gerne mehr…

    Ich mach´s kurz und es spiegelt nur meine persönliche Meinung wieder:
    ADS wird in einer durchnormten Gesellschaft allenfalls wahrgenommen, weil es nicht der Norm entspricht. Das kannst Du nicht ändern – Normen ändern sich ständig und morgen ist dann etwas anderes „auffällig“. Menschen mit ADS fallen also vielleicht auf, aber auch das ist kein Problem. Aber irgendwer macht irgendwann eins draus und dann kommt der Punkt an dem sich entscheidet, ob die Mehrheit der Gesellschaft die eine oder die andere Sichtweise teilt. Dann wird diskutiert, aufgebauscht, zerredet... und alle glauben, dass da ein „großes Problem“ ist. Alles Quatsch…

    Raum für all die besonderen, positiven und genialen Seiten eines ADSlers gibt es. Man muss ihn aber selber finden oder sich schaffen und dann auch nutzen. Das gilt aber für jeden von uns. Andere Mitmenschen (z. B. Chef oder Kollegen im Beruf), die das Besondere an anderen Menschen erkennen – egal aus welchem Grund diese Menschen „besonders“ sind - werden ihnen auch immer einen solchen Raum der Entfaltung schaffen. Diese Menschen werden nur leider immer seltener. Und Menschen, die alles was "anders" ist problematisieren, werden weiterhin auf die Einhaltung von irgendwelchen Normen pochen. Das trifft aber nicht nur Menschen mit ADS… das ist das eigentliche Problem in der Gesellschaft: das Individuelle wird nicht mehr hoch genug geschätzt.
     
  2. AW: Ist die Gesellschaft "Schuld"?

    Ja, genau das ist mein Eindruck und genau das habe ich auch so gemeint. ADS und ADHS ist genauso unerwünscht, wie alles, was außerhalb der "Norm" ist. Das fängt bei den Vorsorgeuntersuchungen der Kinder an. Gut, dass es Vorsorgeuntersuchungen gibt, die einen Rahmen schaffen, als Anhaltspunkt. Schlecht, dass dieser Maßstab dafür sorgt, dass die Kinder sehr straff sehr früh ziemlich genau in bestimmte Raster passen müssen.
     
  3. AW: Ist die Gesellschaft "Schuld"?

    Das trifft nicht nur auf ADS/ADHS (was ja hier Kernthema ist) zu, sondern nahe zu auf alles, was \"individuell\" ist, und wo man keine Vernünftige Antwort drauf hat. Da sollte man sich mal fragen warum....
     

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